Bogenarten
JEDER BOGEN HAT SEINEN REIZ
Willst du schießen oder treffen?
Das war eine der Fragen mit denen ich konfrontiert wurde, als ich als blutiger Anfänger im Verein mal laut überlegte was für einen Bogen ich mir zulegen sollte. "Willst du schießen oder treffen? "Ich reagierte mit völligem Unverständnis. "Beides, eh klar" war meine sinngemäße Antwort, worauf ich die Frage noch einmal gestellt bekam. Ich schaute mir den Fragesteller etwas genauer an, er machte einen ganz vernünftigen Eindruck. Viel mehr als "hä?" habe ich wohl nicht geantwortet. Dann bekam ich eine Erklärung:
Wenn es dir ums Treffen geht kaufst dir einen Compound, wenn es dir nur ums Schießen geht einen Langbogen. "Langbogenschützen wollen nicht treffen?", war meine fragende Schlussfolgerung. "Doch, wollen schon!" die grinsende Antwort. So wie er das sagte, schloss ich darauf dass er selber einen Compound-Bogen besaß. Die Antwort darauf musste nicht ich geben. Ein anderes Vereinsmitglied legte gleich los: "Compound-Schützen sind ja nur Maschinisten, da kannst dir gleich ein Gewehr kaufen, das hat ja mit Bogenschießen nichts mehr zu tun." Jetzt mischte sich ein dritter ein: "Aber Langbogen kannst auch vergessen, die sind ja voll vorsintflutlich, da ist ja jeder Treffer reine Glücksache, wenn ich schon an die Holzpfeile denke die nichts aushalten und alle unterschiedlich sind..." Und ein Vierter warf ein: "Das ideale Gerät ist ein Recurve, da lernst schießen und mit dem triffst auch ziemlich gut!"
So ging die Diskussion hin und her und bald bekam ich den Eindruck, dass jeder für sich seine eigene Wahrheit verkündete, zwar immer mit einem Augenzwinkern aber doch vollkommen überzeugt von der Richtigkeit.
Alle machen das Selbe - Bogenschießen. Links wird mit Langbogen, in der Mitte mit Recurvebogen, rechts mit Compoundbogen geschossen.
Um euch die Verwirrung zu ersparen, die sich in mir damals ausbreitete, werde ich hier versuchen, die Eigenschaften und Möglichkeiten der einzelnen Bogenklassen ein bisschen zu erklären und euch die Entscheidungsfindung etwas zu erleichtern.
Beginnen wir mit der Optik und der historischen Seite der Bögen. Am Anfang war sicher der Primitiv- oder Selfbow, also der Eigenbau-Bogen. Ein Stock, eine Schnur und hölzerne Pfeile. Dann, in weiterer Folge, entwickelte sich der Langbogen, mit einer Pfeilauflage und teilweise verleimt aus mehreren Holzarten. Dass so ein Bogen mehr Power entwickelt und handlicher ist, wenn die Bogenenden in die andere Richtung schauen war dann vor allem für die berittenen Schützen vorteilhaft. Man konnte Bögen mit gleicher oder sogar größerer Leistung wesentlich kleiner bauen. Diese Reiterbögen gab es dann aber auch in groß und der Sammelbegriff Recurve für diese Art setzte sich durch. Eine relativ neue Entwicklung sind die Compound-Bögen, die nicht nur optisch ziemlich weit weg sind von Indianer- und Robin-Hood-Romantik. Kompakt gebaut, mit Exzentern, Zieleinrichtungen sogar mit Vergrößerung, eingebauten Wasserwaagen und Stabilisatoren, ist damit eine Trefferquote zu erzielen, die tatsächlich einem Gewehr nicht viel nachsteht. Inzwischen gibt es sehr, sehr viele Abstufungen und Mischformen, von Langbögen aus modernsten Materialien wie Kohlefaser und Verbundstoffen über Recurve, die ebenfalls über Stabis und Zielfernrohre verfügen (diese sind sogar olympische Klasse). Metall-Mittelstücke, Pfeilauflagen, Klicker, Tiller und und und.... sollen uns jetzt aber noch nicht verwirren.
Prinzipiell kann man aber schon sagen, dass es mit einem Selbstbau- oder Langbogen natürlich viel schwerer ist, z. B. einen Tennisball in 20 Metern Entfernung zu treffen als mit einem Compoundbogen. Wenn es allerdings ums Wett- und Turnierschießen geht, spielt das keine Rolle, da ja die unterschiedlichen Bögen in eigenen Klassen schießen und somit nicht gegeneinander konkurrieren müssen.
Ein historischer Reiterbogen.
Das ist also das, was jeder Bogenschütze für sich selbst herausfinden und entscheiden muss. Mag er es lieber romantisch, urtümlich, möglichst einfach, oder reizt ihn die Technik, die Präzision, die Auseinandersetzung mit den Materialien und Einstellmöglichkeiten.
Warum also hört und liest man aber dann ständig, dass man als Anfänger am besten mit einem Recurve beginnt. Wäre es nicht einfacher, gleich den Bogen zu nehmen den man für sich als "den Richtigen" erachtet?
Die Antwort ist ein klares Nein. So unterschiedlich die Bögen zwar sind, die Basis ist für alle gleich. Da gibt es einen sogenannten "Standardschuss", den man unbedingt beherrschen sollte. Egal mit welchem Bogen, man sucht den richtigen Stand, achtet auf Arm- und Beinhaltung, die Technik des Ausziehens und des Lösens, das richtige Atmen usw. Diese prinzipiellen Dinge lernt man wesentlich leichter mit einem einfachen Bogen der leicht zum Ausziehen geht und mit Pfeilen die etwas länger als nötig sind. Man kann sich dann auch sicher sein, dass ein Fehlschuss durch den Schützen und nicht durch eine falsche Einstellung verursacht wurde. Bis man die Grundkenntnisse einigermaßen beherrscht, hat man sicher auch schon die Möglichkeit gehabt, mehrere Bögen zu probieren um herauszufinden was zu einem am besten passt.
Der springende Punkt beim Bogenschießen ist, dass man jeden Schuss gleich ausführen sollte. Das gilt für alle Bögen. Wenn man genau das Gleiche unter gleichen Bedingungen macht, fliegt auch der Pfeil genau zur selben Stelle. Ein Freund sagte mir "Wenn du richtig schießt ist das Treffen unvermeidlich". Ganz einfach - oder eben doch nicht.